Die dunkle Seite des Laufens

Häufiges, langes Laufen (30-120 min) gilt immer noch als eine der beliebtesten Freizeitsportarten und die Teilnehmerzahlen an Volksläufen und Marathons nehmen stetig zu.

Jahrzehntelang hat man uns erzählt, wie gesund das Laufen doch sei und dass es unsere natürliche Bewegungsform ist. Wenn man sich dann aber einmal in Läuferkreisen umhört, dann fühlen sich alle zwar vom Herz-Kreislaufsystem her fit, aber der Stütz- und Bewegungsapparat bittet wiederkehrend um Gnade – welche ihm jedoch meist nicht oder nur kaum gewährt wird. In der Regel werden die Warnsignale des Körpers ignoriert, so dass der typische Kreislauf des Langstreckenläufers zustande kommt:

Trainieren, Überlastungssymptome/Verletzung, Reha/Krankengymnastik, wieder trainieren, Überlastungssymptome/Verletzung, Reha/Krankengymnastik, usw.

Kürzlich habe ich noch mal einen Blick in meine Stapel von alten Laufzeitschriften geworfen und musste feststellen, dass über Jahre hinweg folgende Probleme immer wieder in den Ratgeberteilen aufgegriffen wurden:

Fersensporn, Sitzbeinschmerzen beim Laufen, Achillessehnenbescherden, Muskelbeschwerden in den Beinen (v. a. Oberschenkelrückseite), ITB-Syndrom/Entzündung im Ansatz des Iliotibialbandes unter dem Knie, Chondromalazie (Knorpelerweichung auf der Rückseite der Kniescheibe), Patellaspitzensydrom, Eisenmangel, Schmerzen auf dem Fußrücken, Ermüdungsbruch, Knöchel verstaucht, Entzündung der Faszie unter dem Fuß, Schienbeinschmerzen, Flüssigkeitsansammlung im Knie, Muskelfaserriss, Schleimbeutelentzündung und Leistenbeschwerden.

In der Reha hatten zusätzlich nahezu alle Läufer, die ich betreut habe, entweder Rückenschmerzen, einen Bandscheibenvorfall oder Schmerzen/Verspannungen im oberen Rücken/Nacken sowie im Bereich der Hüften und Beine.

Ein bekanntes Laufmagazin hat sogar einen Extrateil über Verletzungen direkt mit in sein Sonderheft für Einsteiger mit eingebaut (!) – wahrscheinlich, damit der unwissende Laie so direkt erfährt, worauf er sich da einlässt. Aber auch sämtliche Laufbücher in meinem Regal enthalten ein separates Kapitel über typische Überlastungserscheinungen (= akute Warnsignale des Körpers!) und Verletzungen…

In der Physiotherapie und bei Orthopäden sind Läuferinnen und Läufer gern gesehene Patienten, da man weiß, dass sie immer wieder kommen. Die Wahrheit ist: Alle Verletzungen ohne äußeren Einfluss haben eine trainingsbedingte Ursache (= Trainingsfehler), alle Beschwerden, die mit „itis“ enden, sind direkte Folgen einer Überlastung bzw. dauerhaften Fehlbelastung (Anmerkung: die meisten medizinischen Fachbegriffe für die oben aufgeführten Beschwerden enden auf „itis“).

„Hast Du Schmerzen?“ ist eine einfache ja/nein-Frage. Jede andere Antwort als „Nein“ ist ein „Ja“ und ein klares Zeichen für ein gesundheitliches Problem (meist eine Überlastung), u. a. auch  „Es wird nach kurzer Zeit besser.“, „Wenn ich mich richtig aufwärme, geht es.“ und „Nur am Ende des Laufs.“.

So gesund scheint Laufen also nicht zu sein. Bezogen auf die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-, Atmungs- und Stoffwechselsystems gilt die maximale Sauerstoffaufnahme pro Zeiteinheit (VO2max, aerobe Kapazität) als das Bruttokriterium.

Interessanterweise wird die aerobe Kapazität jedoch viel effektiver durch ein kurzes Intervalltraining mit höheren Intensitäten verbessert als mit aerobem Training selbst (lange, langsame Läufe). In den größten Langzeituntersuchungen zeigte sich ebenfalls, dass diejenigen mit der höchsten VO2max nicht nur die beste Gesundheit aufwiesen, sondern auch die niedrigste Sterblichkeitsrate hatten.

Auch das Thema Fettverbrennung und Abnehmen durch Ausdauersport habe ich schon oft angesprochen, weil die Wahrheit auch nach knapp 20 Jahren klarer Studienlage und eindeutigen Praxisbelegen immer noch relativ unbekannt ist. Dabei muss man doch nur den Fernseher anschalten: Warum gibt es im Freizeitbereich so viele dicke Marathonläufer und keine dicken Sprinter? Letztere laufen nie lange und langsam und haben am wenigsten Körperfett.

Nebenbei verringert langes langsames Laufen die Lungenfunktion, die Herzkapazität und die Muskelmasse. Interessant ist auch, was der wissenschaftliche Vater des Aerobic Trainings, Dr. Kenneth Cooper, 1987 über Ausdauertraining und Gesundheit sagte: „People who followed my exercise guidelines exactly but ignored their diet and their weight… had heart attacks at age 55.“

Nach über 30 Jahren Forschung stellte Cooper im Jahr 2000 schließlich fest: „There is no correlation between aerobic endurance performance and health, longevity or heart disease protection.“

Diese Aussage muss man mal im Raum schwingen lassen…

Fazit:

Sie sollten nicht laufen, um fit zu werden, sondern zunächst fit werden, um überhaupt laufen zu können! Langes langsames Laufen hat verglichen mit dem großen Zeitaufwand einen zu geringen Nutzen bezogen auf die Verbesserung der Ausdauerfitness, des Fettabbaus und birgt ein hohes Risiko für Überlastungserscheinungen und Verletzungen. Warum laufen dann viele so? Weil es angenehm und nicht anstrengend ist.

Meine Empfehlung für alle, die durch ein entsprechendes Krafttraining (vor allem Rumpfstabilität, einbeinige Kniebeuge- und Hüftstreckübungen sowie ziehende und drückende Oberkörperübungen) schon muskulär fit genug sind und laufen möchten, lautet: Laufen Sie die ersten 4-6 Wochen maximal 30-40 min langsam und steigen Sie dann langsam auf ein Intervalltraining um, welches ca. 15 bis max. 30 min dauert (inklusive Auf- und Abwärmen). Dies gilt für sämtliche Ausdauersportarten.

P. S.: Ich möchte nicht den Eindruck vermitteln, dass ich Laufen generell ablehne, zumal ich viele Jahre lang selbst aktiver Langstreckenläufer war. Ich konzentriere mich mittlerweile lediglich mehr auf effiziente Trainingsmethoden, die neben einer geringen Verletzungsgefahr bei geringem Zeitaufwand beste Ergebnisse für die Gesundheit, die allgemeine Fitness und die Körperfettreduktion liefern.

P. P. S.: Wer sich noch mehr für die Bereiche der Fettverbrennung und des Intervalltrainings interessiert, wird u. a. in meinen anderen Artikeln fündig (siehe auch „texte“ oben in der Menüzeile).

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